01 Mai 2007

Knut, der Berliner


Sonntag, neun Uhr morgens. Berlin schläft noch. Touristen nicht. „Ich hab dir gesagt, du sollst dich hierhin stellen.“ Die erboste Stimme der Mutter verschreckt das Mädchen. Vor den Kassenhäuschen am Löwentor des Berliner Zoos bilden sich zwei Schlangen.

Es gibt in Deutschland nur wenige Menschen, die von der Geburt eines Eisbären im Berliner Zoologischen Garten nichts gehört haben. Knut ist jetzt fast fünf Monate alt. Von seiner Mutter, Tosca, verstoßen, wird er von einem Team um den Tierpfleger, Thomas Dörfler, betreut.

Alle wollen Knut sehen. Die vierköpfige Familie ist zwar nicht wegen Knut nach Berlin gekommen. “Als wir die Reise geplant haben, war er noch gar nicht auf der Welt.” Doch die Kinder wollen sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen.

Der schmale Weg zum Gehege der Braunbären, der Bühne für Knut, führt an zwei Zwergflußpferde vorbei. Das eine wühlt mit dem Kopf im kühlen Sand. Für Suchende wurde ein Schild am Baumstamm montiert: Zu Knut nach links.

Karl (Name geändert) arbeitet seit zehn Jahren im Zoo. Er holt Pappkartons aus einem Kleinbus. An seinem Verkaufsstand sollen später die Besucher Andenken erwerben können. Der ganze Trubel habe ein wenig nachgelassen. „Die Ferien sind halt vorbei.“

Links und rechts des Geheges stehen Ordner in schwarz-roten Uniformen. Der großgewachsene Mann ist wortkarg. „No comment. Wir wollen und sollen nichts dazu sagen“. Er nimmt einen Schluck aus dem Pappbecher.

Es ist kühl. Wer mit der Wärme der letzten Tage gerechnet hat, zittert und friert jetzt. Auf dem felsigen Hintergrund tanzen trotzdem Sonnenschatten. „Eisbärenwetter, was?“ Der braungebräunte Security-Mann ist gut gelaunt.

Das Stimmengewirr wird lauter. Wer jetzt dazukommt, muss in der dritten Reihe Platz nehmen. Gleich ist es soweit. Die Kinder warten, die Eltern warten, und alle warten.
Die Stimme aus dem Lautsprecher kündigt Knut an.

Der Zoo-Mitarbeiter versichert, man sei sich der Verantwortung für Knut bewußt. „Der Kleine ist jetzt kein Baby mehr. In seiner natürlichen Umgebung würde er jetzt die Mutter verlassen. Er wird jetzt deshalb entwöhnt“ Dann noch ein paar Begrüßungsworte und schließlich kommt er. Ein kleiner, weisser, hüpfender Eisbär folgt dem Betreuer.

Das Klicken der Fotoapparate, die Stimmen der Kinder… Und nach acht Minuten ist alles vorbei. Die freundliche Stimme bittet die Besucher, Platz für die anderen zu machen. Am Ausgang sammelt sich eine Menschentraube vor dem Stand mit Andenken.

„Massenhysterie, absolute Vermarktung und politisches Vereinnahmen.“ Karl-Heinz aus Schwäbisch-Hall wollte mit seiner Familie Knut sehen. „Die Lust ist mir jetzt vergangen.“ Auch Jens ist mit seinem Spielmannszug aus Weisel (Rhein-Lahn-Kreis) nach Berlin gekommen. Er und die anderen Kinder wollten unbedingt Knut sehen „Er ist berühmt und war im Fernsehen.“ „Habt ihr Knut gesehen? Das wird doch die erste Frage, wenn sie nach Hause kommen.“ Kommentiert ihr Betreuer.

Wenn man sich vor dem Besuch im Zoo nach den Wartezeiten erkundigt, bekommt man die Antwort, das Schlimmste sei vorbei. Am Ausgang, beim Löwentor hält man aber inne und fragt sich, was wohl mit Schlimm eigentlich gemeint war.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Gregor,
liwbw grüße aus osnabrück!
Schön, dass dein knut-text jetzt hier zu finden ist.
Wie geht's dir?

Es war schön, dich kennen zu lernen.

Liebe grüße von uta