09 November 2006

... ein paar Gedanken zu Jona

"Haben Sie sich nicht auch schon mal gefragt, was Jonas Widerstand und seine sich zur Wut steigernde Haltung zu bedeuten haben? Und warum er als Prophet im Auftrag des Herrn eine so schlechte, ja tadelnswerte Figur macht?

Nicht nur, dass er anfangs nach Tarschisch also ans Ende der Welt fliehen will, und zu seiner Mission gezwungen werden muss. Sondern auch weil er später, schon in Ninive, den Auftrag ehe schlecht als recht erledigt. Für eine Stadt die so groß ist, dass man drei Tage braucht, um sie zu durchschreiten, nimmt er sich lediglich einen Tag Zeit, und statt einer flammenden Rede zur Umkehr spricht er lediglich einen recht einfachen Satz aus: „Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!“.

Warum verhält sich der Prophet Jona so halbherzig und ungehorsam?! Hat er etwa Angst um sein Leben verspürt bei dem Gedanken, in einer Großstadt predigen zu müssen? Fühlte er sich etwa der Rolle nicht gewachsen zu sein, wie David vor Goliath hinzutreten?
Die Lesung setzte an der Stelle an, an der es sicher ist, dass die Stadt gerettet wurde. Die Bewohner von Ninive haben auf das Wort des Propheten gehört. Sie – Menschen und Tiere, Rinder, Schafe und Ziegen – haben gefastet und Buße getan, worauf Gott die angedrohte Zerstörung der Stadt aufgehoben hat.

Warum aber in aller Welt gefällt das alles Jona nicht? Im Gebet das Jona an seinen Auftraggeber richtet, sagt er – und eine gewisse Empörung ist darin unüberhörbar - Habe ich das nicht gesagt, als ich noch daheim war? Es kam genau, wie ich es sagte.
Jona freut sich gar nicht über die Errettung der Stadt. Ganz und gar nicht. Er ist wegen des positiven Abschlusses der Mission, den er ohnehin erwartete, betrübt!

Spätestens hier wird einiges klar. Jona ist nicht feige gewesen! Nein! Noch vor seiner Beauftragung durch Gott muss etwas passiert sein, das ihm Unbehagen bereitet hat.
Könnte es denn sein, dass Jona die heiligen Schriftrollen sehr genau studiert hat, und dabei an einen Punkt gekommen ist, an dem ihm – Mitten in allen Vorschriften des Gesetzes - die Barmherzigkeit Gottes aufleuchtete?

Jona scheint gewusst zu haben, dass seine Mission nur ein Ende nehmen würde. Unter der Bedingung nämlich, dass die Bewohner von Ninive Buße tun würden, hätte Gott die angedrohte Strafe zurückgezogen.

Damit befinden wir uns aber mitten im Konflikt, den Jona in seinem Inneren austragen muss und vor dem er floh.
Es geht hier, so meine ich, um das Verständnis von Gerechtigkeit.

Jona hat gelernt und glaubt fest daran, dass Gott mit den Menschen/Juden einen Bund geschlossen hat. Zur Pflicht hat er dabei gemacht, dass seine Gebote eingehalten werden. Jona weiß und glaubt, dass derjenige gerecht ist, der die Gebote befolgt. Ein sündiges Leben wird bestraft. Doch seltsamerweise scheint Gott sich selbst an die von ihm gemachten Vorgaben nicht zu halten. Die Pflicht zur Einhaltung derselben Gebote relativiert er immer wieder durch seine Barmherzigkeit! Die Gnade die den Sündern von Ninive gewährt worden ist, wirkt auf Jona wie das Eintreten der schlimmsten Befürchtungen. Der innere Konflikt, der ihn zu Flucht vor dem Auftrag Gottes bewog, entzweit ihn jetzt so sehr (?), dass er sich lieber den Tod als das Leben wünscht.

Dieser innere Konflikt der ihn fast um den Verstand bringt, flammt noch einmal mit aller Gewalt vor den Toren der Stadt auf - Jona zieht es nämlich vor, als Gerechter, außerhalb der Mauern zu übernachten. (Auch eine Art von Flucht? Immer noch nichts gelernt) An zwei aufeinander folgenden Tagen handelt Gott an Jona. Und alles wirkt wie eine letzte Lektion, die am Höhepunkt der Erzählung Jona erteilt wird. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es in der ganzen Geschichte von Jona und den Bewohnern von Ninive darum geht, dem Propheten – und dadurch uns, den Hörern des Wortes – die Augen zu öffnen. (Oder vielleicht eher das Herz?)

Denn ist es nicht so, dass wir gerade die Erfahrungen lehrreich nennen und als wichtig erachten, die uns an unsere Grenzen geführt haben und dann über sie hinaus? Wie kostbar sind im Nachhinein die Erfahrungen der Tage, die wir im heißen Ostwind und sengender Sonne gemacht haben.
Auch Jona wird geprüft. Gott lindert zuerst seine Quallen, indem er einen Rizinustrauch wachsen lässt. Doch gleich am folgenden Tag wird Jona durch den heißen Ostwind und sengende Hitze provoziert, so dass er im Zorn Gott entgegnet „Ja, es ist recht, dass ich zornig bin und mir den Tod wünsche.“

Das Buch Jona endet mit einem mächtigen Paukenschlag, aber nicht mit Trompeten. Gott sagt: „Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt in der mehr als 120 000 Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können – und außerdem so viel Vieh?“ Und so bleibt nur die Stille der Bewunderung für die heilende Frage Gottes, die wie eine Antwort ist.

Die plötzliche und wunderbare Stille nach dem Sturm…
Nach dem Sturm der einem das Herz zerreißen wollte… "

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es ist bestimmt noch viel, viel schlimmer.

Ich habe so einen Verdacht.
Jona war, wie oben völlig zu recht beschrieben, von der Aufgabe gar nicht so angetan. Widerwillig schleicht er sich nach Ninive herein. In einer Stadtrandlage von Ninive stelt er sich irgendwo an eine Ecke und murmelt gaaaaanz leise: „Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!“

Leise, ganz leise ... und dann nix wie weg.

Bloß nicht auffallen.

OK Job getan und gut.

Und dann kommt die bekannte Überraschung.

Ich mag die Jona- Geschichte. Wir können, wenn wir sie mit offenen Augen lesen, viel darüber lernen, wie sehr Gott das Heil der Menschen will. Seine Barmherzigkeit sprengt unsere Vorstellungskraft. Immer wieder und immer wieder neu.